News

Bericht aus dem Abstrichzentrum


Die Corona-Abstrichzentren im Landkreis Reutlingen

Helfer im Abstrichzentrum Bild: Landratsamt Reutlingen

Wir danken Redakteur Alexander Thomys, der als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr derzeit in der Abstrichstelle Reutlingen arbeitet und hier seinen Bericht zur Verfügung gestellt hat.

Das wichtigste Hilfsmittel im Kampf gegen das Corona-Virus ist ein kleines Wattestäbchen.
Denn erst damit kann sicher gemacht werden, wozu das Robert-Koch-Institut seit Wochen aufruft: zu testen, zu testen und nach Möglichkeit noch mehr zu testen. Schließlich kann die Information, wer bereits mit dem neuen SARS-CoV-2-Virus infiziert ist, mitunter Leben rettend sein: Wenn etwa Personal aus Pflegeheimen oder Krankenhäusern infiziert ist. Alle weiteren Maßnahmen, wie die häusliche oder klinische Quarantäne, die Benachrichtigung und Überwachung von Kontaktpersonen und möglichen weiteren Infizierten ist ohne die Testungen nicht möglich. Im Landkreis Reutlingen geht das Kreisgesundheitsamt des Landratsamtes zwei Wege, um die sogenannten Verdachtsfälle zu untersuchen: Mit einem mobilen Bürgerservice werden hauptsächlich diejenigen erreicht, die selbst nicht mehr mobil sind. Außerdem werden soziale Einrichtungen wie Pflegeheime oder Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen besucht, um die Mitarbeiter und Bewohner zu testen. Hinzu kommen die beiden Corona-Abstrichzentren in Münsingen und Reutlingen. Diese provisorischen Einrichtungen ermöglichen es, täglich zahlreiche Menschen auf das Corona-Virus zu untersuchen. Oder vielmehr: die entsprechenden Proben zu nehmen, die anschließend in den Laboren auf den Erreger getestet werden. Die Abstrichzentren sind als Drive-In konzipiert: Die Patienten werden durch die Autoscheiben ihrer Fahrzeuge getestet und können während der ganzen Untersuchung in ihrem Fahrzeug sitzen bleiben, was die Kontakte auf das notwendige Minimum beschränkt.

Wie sieht die Arbeit in den Corona-Abstrichzentren aus?
Neben den Ärzten, deren Einsatz das Kreisgesundheitsamt koordiniert, werden diese Einrichtungen im Wesentlichen durch die Ehrenamtlichen des Bevölkerungsschutzes getragen. In Münsingen sind es Mitglieder der Einsatzbereitschaften des Deutschen Roten Kreuzes aus dem Kreisverband Reutlingen und die Freiwillige Feuerwehr Münsingen, in der Großstadt selbst haben die Mitglieder der Gefahrstoffeinheit der Feuerwehr Reutlingen diese Aufgabe übernommen. In dieser Sondereinheit der Reutlinger Feuerwehr sind hauptsächlich Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr aktiv, die – in den Vor-Corona-Zeiten -  zweimal im Monat die Gefahrenabwehr bei atomaren, biologischen oder chemischen Gefahren übten. Während das Münsinger Abstrichzentrum die vorhandene Infrastruktur eines ehemaligen Einkaufsmarktes auf dem Schoell-Areal in der Uracher Straße nutzt, wurde in Reutlingen der Freibad-Parkplatz an der Kreuzeiche umfunktioniert. Der Dienst der Feuerwehrleute am Corona-Abstrichzentrum in Reutlingen beginnt auf der Feuerwache in der Hauffstraße, wo sich die in täglich wechselnder Besetzung eingeteilten Mitglieder der Gefahrstoffeinheit am Vormittag versammeln. Mit zwei Fahrzeugen geht es dann zum Containerdorf an der Kreuzeiche.

Der Landkreis hat die dortige Abstrichstation auf dem Freibadparkplatz als dauerhaftes Provisorium angelegt: Sehen die Autofahrer vor allem die zahlreichen Absperrelemente, welche sie in mehreren Schleifen steuern und bis zur eigentlichen Teststation vorfahren lassen, so stehen hinter den Sichtschutzelementen aus Bauzäunen mehrere Wohncontainer, die verschiedene Aufgaben erfüllen: Im sogenannten Schwarzbereich – dieser gilt als potenziell kontaminiert, also möglicherweise mit dem Virus verschmutzt – gibt es einen Lagerraum mit Kühlschränken für die gesammelten Proben. Zwei weitere Container bilden gemeinsam eine Schleuse, in welcher sich die Einsatzkräfte und Ärzte umziehen können, um von dem schwarzen in den sauberen Weißbereich zu wechseln. An diese Schleuse schließt sich der Container für die Einsatzleitung an: Dort ist der Einsatzleiter untergebracht, außerdem die EDV-Schnittstelle mit der Datenbank des Landratsamtes – dort können die Einsatzkräfte prüfen, ob diejenigen, die zur Teststrecke kommen, tatsächlich einen Termin haben und wirklich getestet werden dürfen. Immer wieder kommt es vor, dass Personen „einfach so aus Neugier“ vorbeifahren, sich einreihen und testen lassen wollen. Doch die Kapazitäten sind begrenzt. Getestet wird nur, wer einen Termin des Kreisgesundheitsamtes hat. Für das eingesetzte Personal stehen indes noch zwei weitere Container zur Verfügung: Ein Sozialraum bietet die Möglichkeit einer Verschnaufpause, hinzu kommt eine WC-Anlage in einem separaten Container.

Die beiden letztgenannten Container spielen zu Beginn des Einsatzes eine große Rolle. Zwar richten die Mitglieder der Gefahrstoffeinheit nach dem Ankommen an der Kreuzeiche zunächst die Teststelle ein – hierzu gehört auch das Aufbauen von zwei Zelten für das arbeitende Personal an der Eingangskontrolle und der Abstrichstelle sowie die EDV-Verbindung zum Landratsamt und die Funkanlage am Testzentrum selbst. Doch bevor die eigentliche Arbeit beginnt, gilt es noch etwas zu essen und zu trinken, sowie der Gang zur Toilette. Denn die Infektionsschutzanzüge sind knapp und sollten während der Arbeit an der Messstation nicht ausgezogen werden – eine gute Vorbereitung ist daher essentiell, denn jeder Anzug kann nur einmal angezogen werden. So wird etwa der Reißverschluss des Einteilers nach dem Anlegen zugeklebt, um Undichtigkeiten zu verhindern.

Noch bevor sich die ersten als Verdachtsfall eingestufte Personen auf den Weg zum Freibadparkplatz an der Kreuzeiche machen, bereiten sich dann die vier Feuerwehrleute sowie der jeweilige Arzt auf ihren Einsatz vor: Einweg-Infektionsschutzanzüge werden sorgfältig angelegt, hinzu kommen jeweils zwei Paar Einweghandschuhe, die FFP3-Schutzmaske sowie bei dem Mediziner und zwei Feuerwehrleuten ein Schutzvisier aus Plexiglas, welches das Gesicht nochmals zusätzlich vor denkbaren infektiösen Tröpfchen schützt, sollte einer der zu Testenden im falschen Moment husten. Die Feuerwehrleute mit dem Schutzvisier sind zusammen mit den Ärzten diejenigen, die den sogenannten „direkten Kundenkontakt“ haben: Sie kontrollieren bei der Einfahrt in die Teststrecke die Ausweise der Testwilligen und gleichen die Namen mit der Liste des Kreisgesundheitsamtes ab – um im Zweifelsfall per Funk noch die Datenbank prüfen zu lassen. Der zweite Feuerwehrangehörige ist an der Abstrichstelle selbst im Einsatz und nimmt dort die Ausweise und Krankenversichertenkarten entgegen. Letztere müssen vor dem Abstrich eingelesen werden, mit den Ausweisen werden die Daten der Probennahmeprotokolle geprüft, welche das Kreisgesundheitsamt für jeden einzelnen Verdachtsfall vorab vorbereitet hat. Stets gilt: Sobald die Karten wieder zurückgegeben werden, müssen die Schutzhandschuhe gründlich desinfiziert werden, um die Krankheitserreger nicht von einem zum nächsten Auto zu transportieren. Vermeintlich langsames Arbeiten dient hier dem Schutz aller.

Stimmen die Daten auf Ausweis und Probennahmeprotokoll überein, folgt der nächste Schritt: Die beiden Feuerwehrangehörigen, die zwar ebenfalls Schutzkleidung tragen, den direkten Kontakt mit den Probanden aber vermeiden sollen, bekleben das Protokoll und das Transportröhrchen, in welchen die Ärzte die Wattestäbchen mit den Abstrichen aus Rachen und Nase sicher verschließen, mit Barcodes, die im Labor eingelesen werden können. So ist sichergestellt, dass jede Probe am Ende auch sicher einem Patienten zugeordnet werden kann. Konzentriertes Arbeiten ist hier gefragt, um jede Verwechslung auszuschließen. Vor allem wenn ganze Familien zusammen in einem Fahrzeug kommen, ist hier ruhiges und besonnenes Arbeiten wichtig. Bringt der Arzt das gefüllte Probenröhrchen zurück, wird es von den Feuerwehrleuten sicher für den Transport verpackt. Jeweils vier Röhrchen werden dazu in ein Vlies und anschließend in einen Plastikbeutel mit Klebelasche verpackt, der neben dem Namen des Labors mit eindeutigen Warnhinweisen beschriftet ist: Der englische Begriff „Biohazard“ und das dazugehörige Warnsymbol weist auf biologische Gefahrstoffe hin, hinzu kommt die Transportkennzeichnung UN 3373 für transportierte Gefahrstoffe. Die Nummer weißt auf ansteckungsgefährliches Material hin. Nach der Befüllung an der Abstrichstelle kommen die Proben zunächst vor Ort im Schwarzbereich in einen Kühlschrank. Am Ende der Probennahme werden diese Proben nochmals in größere, zweifelsfrei saubere Plastiktüten verpackt und anschließend durch den Kurierdienst des Kreisgesundheitsamtes zu den beteiligten Laboren transportiert.

Parallel hierzu wird bei der Einsatzleitung die Datenbank des Kreisgesundheitsamtes gepflegt. Wer bereits seinen Abstrich hat nehmen lassen, wird dort zeitnah vermerkt. Und wer seinen Termin verpasst, wird direkt vor Ort nochmals angerufen und an seinen Termin erinnert – so dass am Ende des Tages die allermeisten Verdachtsfälle auch tatsächlich getestet werden können. Und wenn das letzte Fahrzeug die Teststation verlassen hat, beginnt für die Feuerwehrleute ein weiterer wichtiger Arbeitsschritt: Die grünliche Desinfektion aller Arbeitsmaterialien aus dem Schwarzbereich. Ist dann alles aufgeräumt und für den nächsten Einsatz bereit, gilt es noch, die eigene Schutzkleidung vorsichtig auszuziehen, um eine Infektion tunlichst zu vermeiden. Hier kommt die Routine zu tragen, welche die Mitglieder der Gefahrstoffeinheit im Umgang mit entsprechender Schutzausrüstung haben.

Insgesamt verläuft die Arbeit am Corona-Abstrichzentrum ruhig und in entspannter Atmosphäre.
Die allermeisten zu Testenden bringen Verständnis für die unvermeidlichen Wartezeiten auf. Dies bestätigt auch Verbandsführer Heiko Kalmar vom DRK-Ortsverein Münsingen. Er zieht eine positive Zwischenbilanz: „Es kommen pro Tag circa 50 Patienten an die Corona-Teststelle. Die Wartenden sind geduldig und diszipliniert.“ Für ärgerliche Momente sorgen zumeist nur Gaffer, welche in die ohnehin begrenzte Privatsphäre der zu Testenden eindringen und sich oftmals nur durch direkte Aufforderungen zum Weitergehen animieren lassen. Hinzu kommen die kleinen Missgeschicke, die auch die Feuerwehrleute schmunzeln lassen: Stehengebliebene Autos etwa, deren Batterien dem Stop-and-Go auf der Teststrecke nicht gewachsen waren. Auch in diesen Fällen konnte unkompliziert geholfen werden.

Ob DRK-Helfer oder Angehörige der Feuerwehren: Sie alle eint das Ziel, die Corona-Pandemie unter Kontrolle zu halten und einen kleinen Beitrag dazu zu leisten, das Gesundheitssystem in der gegenwärtigen Krise zu stabilisieren. Das Rote Kreuz hat es in den sozialen Medien auf den Punkt gebracht: „Wer verbirgt sich eigentlich unter den weißen Schutzanzügen und den Atemschutzmasken am Corona-Teststellen-Drive-In in Münsingen? Aus der näheren Betrachtung wird klar: Es sind Menschen wie Du und Ich. Studierende, Rentner, Angestellte - ein Querschnitt aus der Mitte der Bevölkerung tritt an, um die Pandemie zu bekämpfen.“